Academia.eduAcademia.edu
CHRISTOPH EGER Zur Imperialisierung des westgotischen Königtums aus archäologischer Sicht Einleitung1 Gegen Mitte des 6. Jhs. schien der Untergang des Westgotenreiches nur noch eine Frage der Zeit. Im Kampf gegen König Agila I. hatte der aufständische Adelige Athanagild nicht davor gescheut, byzantinische Truppen ins Land zu rufen. Dies war nur der Höhepunkt einer schon rund 50 Jahre währenden Krise, die mit der Niederlage von Vouillé (507) ihren Lauf genommen hatte 2. Damals war das tolosanische Reich erloschen und die aquitanischen Besitzungen samt der alten Hauptstadt Toulouse an die Franken verloren gegangen. Nördlich der Pyrenäen verblieb nur die septimanische Provinz in westgotischer Hand. An die Stelle der alten Königsdynastie traten seit 531 per Wahl erhobene Herrscher, die nach mehr oder minder langer Regierung ein gewaltsames Ende fanden. Der Königsmord, von Fredegar spöttisch ‘morbus Gothorum’, die gotische Krankheit, genannt3, schwächte nicht nur das Königtum, sondern stärkte die zentrifugalen Kräfte und führte allenthalben zu Auflösungserscheinungen des Reiches. Die Lage wurde erst von König Leovigild gemeistert, der – 568 von seinem Bruder Liuwa zum Mitregenten erhoben – seit dessen Tod 571/72 alleiniger Herrscher der Westgoten war. Bis 577/78 ging er nacheinander gegen die byzantinische Besatzung, abtrünnige romanische Gemeinwesen, wie Córdoba und die Landschaft Orospeda, die nördlichen Völker der Kantraber und Basken und das Suebenreich vor, durch welche die territoriale Einheit des Westgotenreiches bedroht war. Im Inneren verfolgte Leovigild eine antiaristokratische Politik, die mit Todesurteilen, Verbannungen und Vermögenskonfiskationen die Adelsopposition in Schach hielt. Schließlich betätigte sich Leovigild als Erneuerer in der Gesetzgebung, womit er an die großen Leistungen der alten tolosanischen Dynastie unter König Eurich und Alarich II. anknüpfte, zugleich aber auch die erst wenige Jahrzehnte zuvor erfolgte Neufassung des Rechts durch Kaiser Justinian im Blick gehabt haben dürfte. Das verlorene Werk Leovigilds, von dem nur noch zahlreiche Antiqua-Stellen im Gesetzbuch des Reccesvinth zeugen, zielte u. a. darauf ab, die rechtliche Gleichstellung von Goten und Römern zu verbessern 4. Zugleich strebte Leovigild die religiöse Einheit in seinem Herrschaftsbereich an. Ein 580 einberufenes Konzil in Toledo beschloss Erleichterungen für den Übertritt von Katholiken, um den Weg zu einer Goten und Romanen umfassenden arianischen Reichskirche zu ebnen5. Auch hier liegt der Vergleich zu (Ost) Rom nahe: Konstantin der Große hatte alsbald nach der Niederringung seines letzten Gegners und der Erlangung der Alleinherrschaft das Konzil von Nicaea einberufen, das den durch Arius gebrochenen Kirchenfrieden wiederherstellen sollte. Die Umgestaltung des Königtums Zusätzlich stellte Leovigild das Königtum auf eine neue Grundlage. Dabei hatte er im wesentlichen eine dynastische Legitimation und Nachfolgereglung, die Schaffung eines zentralen Herrschaftssitzes 1 2 3 4 5 Erweiterte Fassung meines am 21.9.2006 in Toledo gehaltenen Vortrags. Im folgenden ist von Phänomenen die Rede, die nach bisherigem Verständnis nicht mit Spolien in Verbindung zu bringen sind, sondern mit Imitatio und Zitat. Beides setzt allerdings eine gedankliche Leistung voraus, die zumindest im übertragenen Sinne an eine Spoliennahme erinnert. Auf Anregung von Th. Schattner habe ich mich daher bereit erklärt, meine Thesen im Rahmen der Spolien-Tagung in Toledo vorzutragen. Für die Einladung und Ermutigung zu diesem Vortrag habe ich ihm herzlich zu danken. Stroheker 1965, 134 f.; Wolfram 1990b, 366. Fredegar, Chronik III, 42; IV 82. Stroheker 1965, 158–160; Claude 1971, 72. Claude 1971, 72. 151 samt der königlichen Repräsentation bei Hofe und eine ihm nützliche Propaganda im Auge. Vieles trägt unverkennbar Züge einer ‘imitatio imperii’. Dietrich Claude sprach daher von einer Imperialisierung des westgotischen Königtums unter Leovigild 6. Bereits die zum Zwecke der Selbstlegitimierung erfolgte Heirat Leovigilds mit der Witwe des Athanagild, Gosvintha, erinnert an die Vermählung des Anastasius mit der Kaiserinwitwe Ariadne im Jahr 491 7. Schon bald nach dem Tod seines Bruders Liuva ging Leovigild außerdem daran, anstelle der Wahlmonarchie ein dynastisches System zu etablieren. So erhob er im Jahr 573 nach spätrömischer Gepflogenheit, die bis auf die Ernennung der Söhne Konstantins des Großen zu Caesares zurückgeht 8, seine beiden Söhne Hermenegild und Reccared zu Mitregenten. Der Ausbau der Residenzorte Um seine Macht zu stärken, legte Leovigild eine neue Hauptstadt fest, die als Zentrum des erneuerten Reiches Verwaltung und Hof eine dauerhafte Heimstatt bot. Nachdem 507 Toulouse als Hauptstadt hatte aufgegeben werden müssen, waren nacheinander Narbonne, Barcelona und Mérida Residenzorte westgotischer Könige in der ersten Hälfte des 6. Jhs. gewesen. Die Wahl fiel nunmehr auf Toledo, das bis dahin schon den Königen Theudis und Athanagild als Aufenthaltsort gedient hatte, von nun an aber bis zum Ende des Westgotenreiches als civitas regia unangefochtene Vorrangstellung unter den spanischen Städten genoss 9. Neben der Errichtung von Residenz und Verwaltungsgebäuden hatten die Könige seit Leovigild vermutlich am Ausbau der christlichen Topographie der Stadt besonderen Anteil. In den Quellen wird die Errichtung einer der Gottesmutter Maria geweihten Kathedrale, einer den heiligen Aposteln oder Peter und Paul geweihten Palastkirche und die Errichtung einer Begräbniskirche für die Bischöfe und Könige ‘extra muros’ genannt, die das Patrozinium der Märtyrerin Leocadia trug (Abb. 1 a). Die archäologischen Befunde sind zu spärlich, als dass sie zur näheren Kenntnis der königlichen Baupolitik in Toledo beitragen beitragen könnten (Abb. 1 b)10. Von historischer Seite hatte bereits Eugen Ewig versucht, anhand der dürftigen schriftlichen Erwähnungen den Ausbau Toledos im späten 6. und 7. Jh. als Hauptstadt nachzuzeichnen und Parallelen zu Konstantinopel herauszustreichen11. Darin sind ihm jüngst auch Isabel Velázquez und Gisela Ripoll gefolgt 12. Wie das Beispiel der Apostelkirche zeigt, ist der Bezug auf Konstantinopel nicht unproblematisch: In der Hauptstadt des östlichen Imperiums lag die Apostelkirche am Rande der von Konstantin ummauerten Stadt und war von ihm als Mausoleum für sich und seine Familie gedacht. Als Vorbild der toledanischen Palastkirche des 7. Jhs. taugte sie daher kaum. Eine andere, den heiligen Aposteln Peter und Paulus geweihte Kirche stand innerhalb des Hormisdas-Palastes 13. Prokop berichtet, dass Justinian diese Basilika schon 518/19 innerhalb seines Privatpalais bauen ließ. Nach 527 wurde der Hormisdas-Palast dann in den großen Kaiserpalast einbezogen, jedoch von Kaiserin Theodora 535 in ein Kloster umgewandelt. Über 6 7 8 9 10 11 12 13 Claude 1971, 70. 74–77. – Zur weiteren Rezeption des Begriffs s. Wolfram 1990b, 376; García Moreno 1998, 112: «Imperialización de la monarquía gótica a instancias justinianeas». Luis García Moreno folgte mit der starken Betonung des byzantinischen Vorbildes der älteren Meinung Strohekers (1965, 138. 143), wohingegen Claude stärker differenzierte (vgl. Claude 1971, 67. 79). Gegen die Auffassung einer Byzantinisierung des Königtums bezog Javier Arce deutlich Stellung zugunsten einer Anknüpfung an die spätrömische Herrschertradition; zugleich wies er auf einzelne Aspekte der Imperialisierung schon vor Leovigild hin (Arce 2001a). Vgl. dazu auch Valverde Castro 2000, 100–106. 181–194, und jüngst: M. Koch, La imperialización del reino visigodo bajo Leovigildo. Es la imitatio imperii de Leovigildo la mainfestación de un momento de cambio en la pretensión de poder y la ideología visigodas? Pyrenae 39, 2008, 101–117. Zum Aspekt der Selbstlegitimierung des Anastasius s. Lilie 1995, 10. Claude 1971, 60. – Zur Erhebung der Söhne Konstantins s. Stein 1928, 158. 202: Ernennung der Söhne Crispus und Constantinus zu Caesares bereits 316, zusammen mit dem Sohn des Licinius; 324 folgte Constantius, 333 Constans, 335 der Neffe des Kaisers, Dalmatius. Zur Wahl Toledos und den polito-strategischen Hintergründen s. Ewig 1976b, 368–373; Claude 1971, 73. Zur Bedeutung Toledos zur Zeit des Theudis vgl. Velázquez – Ripoll 2000, 528–530. 535 f. Vgl. Velázquez – Ripoll 2000, 555 Abb. 6. Ewig 1976b, 368–373. Vgl. Velázquez – Ripoll 2000, 558 f. Müller-Wiener 1977, 177 f.; vgl. auch Prokop, Bauten I,4. 152 Abb. 1 Toledo. a Kirche Cristo de la Vega. Vermutlich ehemaliger Standort der westgotenzeitlichen Kirche Santa Leocadia; b Die Stadt in westgotischer Zeit. Kartierung von Fundstellen mit westgotischer Bauornamentik und Lokalisierung bedeutender Gebäude nach Velázquez und Ripoll. 153 das weitere Schicksal der Peter- und Paul-Basilika ist anders als über die benachbarte Sergios- und Bakchos-Kirche wenig bekannt. Sie zählte daher wohl kaum zu den herausragenden Bauten Konstantinopels, über die man im fernen Toledo des späten 6. und 7. Jhs. gesprochen haben dürfte 14. Völlig im Dunkeln bleibt der Palastbau zu Toledo. Nicht nur sein Aussehen, auch der Standort ist unklar. In Frage käme die höchste Erhebung der Stadt, der Bereich des Alcázars (Abb. 1 b) 15. Doch deutet eine Passage in den Aktes des XII. Toletanum darauf hin, dass der Palast eher außerhalb der Mauern, vermutlich im Nordwesten der heutigen Altstadt von Toledo, zu suchen ist16. Vielleicht vermögen die Resultate der jüngsten großflächigen Ausgrabungen am Campo Universitario von Toledo hierzu Klärendes beizutragen. Besser unterrichtet sind wir über ein weiteres ehrgeiziges Vorhaben Leovigilds: die Gründung der Stadt Reccopolis. Johannes von Biclaro und Isidor berichten, dass der König nach erfolgreichen Feldzügen im Jahr 578 eine Stadt gründete, die er nach seinem Sohn Reccared benannte 17. Sie wird seit längerem mit den Ruinen auf dem Cerro de la Oliva bei Zorita de los Canes identifiziert 18. Erste Ausgrabungen fanden 1944/45 statt, wobei eine über 130 m lange Halle und eine benachbarte frühchristliche Basilika unter den Resten einer romanischen Kirche freigelegt werden konnten19. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden unter der Leitung von Lauro Olmo großflächige Ausgrabungen im sog. Palastbereich und seinem Vorfeld vorgenommen, die jedoch noch nicht abschließend publiziert sind (Abb. 2 a) 20. Die Stratigraphie weist zwei westgotische und drei frühislamische Phasen aus. Von Interesse ist hier die erste westgotische Phase, die sich auf zwei Subphasen aufteilt, und vom Ende des 6. bis in die erste Hälfte des 7. Jhs. reicht. Für diese Zeit konnte Olmo die Existenz eines klaren Entwurfes mit regelmäßigen Trassen und «eine Hierarchisierung des städtischen Raumes» feststellen. Auf dem von der ganzen Stadtanlage aus sichtbaren Nordplateau, das sich unmittelbar oberhalb eines zum Rio Tajo abfallenden Steilhanges befindet, liegt eine monumentale Bebauung, die auf drei Seiten einen ausgedehnten Platz umschließt: Im Norden und Süden erheben sich große zweistöckige Gebäude, im Osten ein länglicher Verbindungstrakt mit der Basilika. Analog dazu vermutete Olmo auch auf der Westseite des Platzes ein Gebäude, das aber noch nicht ausgegraben werden konnte. Die erste Bauphase (Subphase 1a) umfasste nach Olmo auch die ein gewaltiges Areal umschließenden Stadtmauern. In Subphase 1b wurde das Nordplateau weiter monumentalisiert: Den Zugang markierte nunmehr ein mächtiger Bogen, der auf vier Travertinblöcken ruhte. Östlich davon schloss ein neu errichteter rechtwinkliger Bau die verbleibende Lücke bis zur Basilika. Südlich des Plateaus erstreckte sich ein Bereich, den Olmo aufgrund der Befundlage als Handwerks- oder gewerbliches Viertel ansprach 21. Dieses Viertel teilte eine breite Straße, die auf die monumentale Toranlage zuführte (Abb. 2 b). Der auf dem Nordplateau gelegene Gebäudekomplexes wird seit langem als «Palast» gedeutet. Hierfür sprechen die exponierte Lage und die Monumentalität: die 132,5 m lange Halle (Abb. 3), die Zweistöckigkeit der Gebäude, das große mit einem Bogen überspannte Zugangstor und die breite Auffahrtstraße zum Palast. Lange Hallen, Platzanlagen und eine angeschlossene Kirche sind in der Spätantike und im Frühmittelalter nicht untypisch für Residenzanlagen. Genaue Entsprechungen für die lange Halle mit axialer Pfeilerreihe auf dem Cerro de la Oliva sind jedoch rar: Innerhalb der Iberischen Halbinsel bietet die Anlage von Falperra bei Braga die engste Parallele, fällt aber in ihren Dimensionen deutlich bescheidener aus 22. 14 15 16 17 18 19 20 21 22 Nach dem Nika-Aufstand von 532 hat Justinian den Palastbezirk von Konstantinopel entscheidend verändert, allen voran durch den Neubau der Hagia Sophia, die auch in zeitgenössischen Berichten als d e r Bau Justinians galt, vgl. Paulus Silentiarius 242: «Mehr als die Unterwerfung der Völker, mehr als der Bau der Hauptstadt ist die Schöpfung der Sophienkirche Kennzeichen deiner Herrschaft.» Vgl. Velázquez – Ripoll 2000, 554 f. Abb. 6 (‘praetorium’ im Bereich des Alcázars eingezeichnet). Conc. Tolet. XII, c. 4, zitiert nach Claude 1965, 183: «[…] in suburbio Toletano in ecclesia pretoriensi sanctorum Petri et Paulo […]». Vor diesem Hintergrund verdienen die neuen Ausgrabungen in diesem Bereich besondere Aufnersamkeit. Zum Hintergrund der Namengebung s. Arce 2000, 57. Ausführlich zur historischen Nachricht, den geographsichen Angaben und zur Lokalisierung: Claude 1965. Plan und Beschreibung der 1944/45 freigelegten Reste bei Raddatz 1964, Abb. 3 hinter S. 218. Zu den Ausgrabungen Cabrés s. jetzt außerdem Olmo 2004. Olmo 2001; ders. 2002. Zuletzt: Recópolis 2008. Olmo 2002, 546. Untermann 2006, 35 Abb. 25. 154 Abb. 2 Reccopolis. a Plan der Ausgrabungen; b Stadtviertel im Bereich vor dem ‘Palast’. Blick nach Norden. 155 Was in Reccopolis fehlt, ist ein repräsentativer Saal, der sich aufgrund seiner Disposition im Gesamtensemble und seiner Ausgestaltung – etwa durch eine Apsis – als Thron- oder Audienzsaal zu erkennen gibt, wiewohl Apsidensäle oder apsidiale Zentralbauten zu den markantesten Räumlichkeiten spätantiker Villen und Residenzen zählen. So bleibt bis heute nicht nur die funktionale Gliederung der Anlage von Reccopolis und ihre Deutung als Palast problematisch, sondern auch ihre architektonische Herleitung23. Auch das städtische Gesamtkonzept ist noch nicht geklärt. Bereits Claude stellte Überlegungen an, ob Reccopolis von zeitgleichen byzantinischen Stadtkonzepten beeinflusst war. Er selbst kam zum Ergebnis, dass die seinerzeit festgestellten Baueinheiten: ‘Palast’, Kirche und Stadtmauer – zu ergänzen wäre nunmehr die zentralen Straßenführung – kaum über allgemeine Charakteristika spätrömischer Residenzstädte hinausgehen24. Schließlich wies Klaus Raddatz darauf hin, Abb. 3 Reccopolis, lange Halle. Blick nach Osten. dass die Stadtmauer in ihrem Verlauf, der Positionierung und dem Abstand der Türme sehr ungewöhnlich sei und eher Parallelen in vorrömischen Befestigungsanlagen fände 25. Um eine mehr oder minder getreue Kopie byzantinischer Stadt- und Palastanlagen wird es sich in Reccopolis daher kaum handeln. Überhaupt ist an der Peripherie des byzantinischen Reiches eher mit einer freien Nachahmung zu rechnen, die sich verschiedener, bewährter Elemente herrscherlicher Repräsentation bediente und mitunter in der Übertragung berühmter topographischer Bezeichnungen den Anschluss an das kaiserliche Vorbild suchte. So wurde beispielsweise im italischen Ostgotenreich das Tor des Theoderich-Palastes zu Ravenna nach dem berühmten Haupttor des Kaiserpalastes in Konstantinopel als ‘Chalké’ bezeichnet26. Könnte also, auf Provinzmaßstab geschrumpft, das Haupttor des Palastes von Reccopolis die ‘Chalké’ gewesen sein, an der die westgotische ‘Mese’ – so der Name der Haupt- und kaiserlichen Prozessionsstrasse in Konstantinopel – endete? Doch die beiden Gewährsmänner Johannes von Biclaro, der Konstantinopel immerhin aus eigener Anschauung kannte, und Isidor von Sevilla wissen darüber nichts zu berichten. Es bleibt hervorzuheben, dass die Stadtgründung als ursprünglich kaiserliches Privileg ein besonderer und im 6. Jh. überaus seltener Akt war, der das neue herrscherliche Selbstverständnis Leovigilds zum Ausdruck brachte. Das griechische Suffix des Stadtnamens, Recco-‘polis’, lässt dabei keinen Zweifel an dem kaiserlichen Vorbild. Ob sich Leovigild dabei aber an den Stadtgründungen des justinianischen Zeitalters orientierte, wie verschiedentlich in der Forschung geäußert, sei dahin gestellt. Bereits vor Justinian (527–565) haben germanische Könige ihren Stadtgründungen graecisierte Namen verliehen. Für den Vandalenherrscher Hunerich (477–484), der Hadrumetum in Hunericopolis umbenannte, und für das Theodericopolis (Chur?) des Ostgotenkönigs Theoderich (489/93–526) dürfte die Gründung Konstantinopels durch Konstantin den Großen das eigentliche Vorbild abgegeben haben. 23 24 25 26 Vgl. Raddatz 1995, 318 f.; vorsichtig zur Deutung als Palast auch Ripoll 2004, 207. Vgl. aber Valverde Castro 2000, 183 f.: Städtische Topographie mit Elementen, die den Urbanismus justinianischer Zeit definieren («que definen el urbanismo de época justinianea»). Raddatz 1995, 317. Effenberger 1999, 650. 156 Münzprägung Zum neuen Herrscherbild Leovigilds trug eine eigene Münzprägung bei. Zwar fällt der Beginn westgotischer Prägungen wohl spätestens in die Zeit König Eurichs (466–484); doch handelt es sich dabei um Nachprägungen oströmischer Münzen, die das kaiserliche Bildnis samt Umschrift beibehielten und somit dem kaiserlichen Privileg der Goldprägung formal genügten27. Leovigild ging nunmehr dazu über, Trienten in eigenem Namen und mit seinem Bildnis zu prägen. Dabei ist unverkennbar, dass den Stempelschneidern das Vorbild byzantinischer Münzen vor Augen stand: Die älteren der unter Leovigild geprägten Trienten zeigen den Herrscher mit nach rechts gewandtem Kopf, wie auf den kleineren byzantinischen Goldmünzen während des 5. und 6. Jhs. üblich (Abb. 4 a)28. Schon unter Reccared wurde diese Darstellungsweise zugunsten des frontalen Herrscheranlitzes, das in der oströmischen Münzprägung auf den Solidus beschränkt war, verbindlich. Erst unter Chindasvinth (642– 653) erlebte das im Profil gezeigte Konterfei des Herrschers eine Renaissance: Wohl nicht von ungefähr greift Chindasvinth hierbei auf das längst veraltete Vorbild Leovigilds zurück. Ähnlich wie dieser suchte Chindasvinth das Königtum durch eine Reihe von Maßnahmen nachhaltig zu stärken und abermals dynastisch abzusichern. Die Rückseite der ersten Münzserien Leovigilds zeigt eine bis zur Unkenntlichkeit stilisierte Victoria, bei der die nach rechts eilende Victoria der Trienten aus der Zeit des Anastasius Pate stand (Abb. 4 a) 29. In der einen hält sie einen Kranz, in der anderen ein Palmblatt. Auf den westgotischen Nachprägungen oströmischer Münzen zwischen 507 und 567 ist zu sehen, wie die Göttin allmählich umgebildet wird 30. Bereits a auf den Nachprägungen auf den Namen Justins I. machen sich Anzeichen einer Stilisierung bemerkbar (Abb. 4 b). Mit den ersten auf den Namen Justinians, vielleicht unter König Theudis geprägten Trienten ist schließlich schon im wesentlichen die Umbildung der insektenhaften Victoria, wie sie dann auf den Prägungen Leovigilds erscheint, abgeschlossen. Zu den jüngeren Emissionen des Leovigild gehören solche, die auf der Rückseite ein Kreuz auf getrepptem Absatz b zeigen. Es handelt sich um das seit Kaiser Tiberius II. auf byzantinischen Solidi bekannte Stufenkreuz. Tomasini konnte Abb. 4 Triens. a Triens des Leovigild; b Westgotischer Triens auf den Namen nachweisen, dass diese Prägungen nicht vor der Wende 580/ Justins I. 81 – nach jüngsten Untersuchungen vielleicht sogar erst ab 31 582 – datieren . Über die Bedeutung, die der Übernahme des Stufenkreuzes zugrunde liegt, gehen die Meinungen auseinander. Nach Beltrán streicht das Stufenkreuz anstelle der heidnischen Victoria nunmehr den christlichen Charakter des westgotischen Königtums heraus. Dass Leovigild sich dabei eines Symbols des orthodoxen Kaisers bediente, dürfte nicht von ungefähr zeitlich mit der Synode von 580 und seinen Bemühungen um die Einheit der Kirche seines Reiches zusammenfallen. Tomasini hingegen schloss eine religiöse Motivation aus und rückte die politische Bedeutung in den Vordergrund. Demnach war Leovigild während des Konfliktes mit seinem usurpierenden Sohn Hermenegild genötigt, eine neue, von den Münzen Hermengilds abweichende Serie zu prägen, die zugleich eine höhere Legitimationskraft besaß: «The cross-on-steps issue owes its existence to Hermenegild’s revolt as counter propaganda» 32. 27 28 29 30 31 32 Valverde Castro 2000, 96–99. Für einen frühen, noch in die ersten Hälfte des 5. Jhs. fallenden Beginn westgotischer Prägungen plädierte Crusafont 1994, 348. Miles 1952, 43. Taf. 1, 1–14; Taf. 3, 1–4. Miles 1952, 44 Anm. 3: mehr ein Insekt denn eine Victoria. Zu den westgotischen Prägungen vor Leovigild s. Reinhart 1945; zur Trientenprägung von 527 bis Leovigild s. ebenda, 225– 230; grundlegend: Tomasini 1964. Tomasini 1964, 75; vgl. dazu jetzt die Datierungsvorschläge bei Mateos Cruz/Pliego Vázquez 2005, 269. Tomasini 1964, 69. 157 Auch sonst verstand Leovigild die Münzen als propagandistisches Mittel, wie die Umschriften anderer Emissionen beweisen. Beispielsweise ließ er Münzen schlagen, die auf die Gründung von Reccopolis oder die Einnahme Bracaras und Méridas hinweisen. Bereits Claude merkte an, dass entsprechende triumphale Umschriften auf zeitgleichen byzantinischen Münzen fehlen, Leovigild hierbei vielmehr auf spätrömische Vorlagen zurückgriff 33. Zur Frage des Hofzeremoniells und der Herrschaftsinsignien Von großer Bedeutung für die Reform des Königtums, und in der historischen Literatur viel diskutiert, ist schließlich die Einführung eines besonderen Hofzeremoniells und neuer Herrschaftszeichen durch Leovigild. Ausdrücklich genannt werden bei Isidor der königliche Ornat und der Thron34. Zuvor habe sich der König sich in der Kleidung nicht von den übrigen (Großen) seines Volkes unterschieden. Einschränkend hat Javier Arce aber darauf hingewiesen, dass den Schriftquellen bereits für das tolosanische Westgotenreich Hinweise auf eine besondere Kleidung des Königs zu entnehmen sind, so bei der Hochzeit des Ataulf und der Galla Placidia 35. Nach Aussage einiger Münzbilder trug Leovigild ein von einer Fibel zusammengehaltenes paludamentum, was der Amtstracht des Kaisers aber auch hoher Beamter entsprach – eine nähere Differenzierung würden nur die Fibelart sowie die Gewandfarbe gestatten: Dem Kaiser war eine purpurne Chlamys vorbehalten, die mit Hilfe einer juwelen- und pendilienverzierten Prunkfibel verschlossen wurde. Erst für das 7. Jh. ist das Tragen pupurner Gewänder durch den von Eugen von Toledo verfassten Epitaph König Chindasvinths bezeugt 36. Ebenso umstritten ist die Bemerkung Isidors über die Einführung eines Thrones. María Valverde Castro und Arce machten geltend, dass bereits König Theoderich II. gegen Mitte des 5. Jhs. auf einem Thron saß 37. Doch möglicherweise bestand zwischen der im 5. Jh. für den westgotischen König bezeugten sella (curulis) und dem solium des Leovigild ein Bedeutungs- oder visueller Unterschied, oder aber die Bemerkung Isidors ist dahin gehend zu verstehen, dass sich erst Leovigild auch vor den Großen der Goten auf dem Thron sitzend präsentiert hat 38. Claude ging schließlich davon aus, dass auch die Krone zu den unter Leovigild eingeführten oder schon bekannten Herrschaftszeichen gehört, wiewohl von Isidor in der betreffenden Passage über die neu eingeführten Herrschaftszeichen nicht eigens erwähnt 39. Die Verwendung von Kronen blieb in der Forschung nicht unwidersprochen. Arce wandte sich entschieden gegen die Vorstellung, dass die westgotischen Könige seit Leovigild Kronen trugen oder gar eine Krönungszeremonie kannten. Auch Valverde Castro zeigte sich skeptisch, mochte aber aufgrund vieler Indizien die Verwendung von Kronen nicht ausschließen 40. Wie Claude berief sie sich dabei auf verschiedene Textbelege sowie Diademdarstellungen auf Münzen des Leovigild 41. Und nicht zuletzt wurde in dieser Diskussion auf die berühmten Weihekronen aus Guarrazar verwiesen. Die Stiftung von Weihekronen Losgelöst von der Frage, ob die Weihekronen als Argument für die Existenz einer königlichen Hauptzier taugen und dies möglicherweise wiederum byzantinischem Vorbild folgt, steht ihre Bedeutung als 33 34 35 36 37 38 39 40 41 Claude 1971, 71. Isidor, Geschichte 51; vgl. dazu Claude 1971, 62–67; Valverde Castro 2000, 190–194; Arce 2001. Arce 2001, 80 f. Claude 1971, 63 Anm. 48. Valverde Castro 2000, 102. Vgl. Valverde Castro 2000, 189 f. Claude 1971, 64 f. Entschieden befürwortet wird die Existenz von Kronen als Herrschaftsinsignie in den barbarischen regna des 6./7. Jhs. von Brühl 1982. Positiv auch Castritius 2001, 382, und Hardt 2001, 389, die sich lediglich gegen einen speziellen Krönungsbrauch dieser Zeit wenden. Valverde Castro 2000, 191–194. Claude 1971, 64 f. 158 sichtbarer Nachweis eines Brauchtums im Vordergrund, das uns aus der schriftlichen Überlieferung des Westgotenreiches sonst nur durch eine Bermerkung bei Julian von Toledo bekannt ist. Julian erwähnt, dass bereits König Reccared eine Weihekrone über dem Grab des Hl. Felix in Gerona anbringen liess 42. Zusammen mit den beiden Weihekronen des Svinthila (621– 631) (Abb. 5 a) und des Reccesvinth (649/53–672) (Abb. 5 b) aus dem Schatzfund von Guarrazar lässt sich damit die Stiftung von Weihekronen durch westgotische Könige über knapp ein Jahrhundert belegen. Woher aber kam der Brauch? – Bereits Ferdinand de Lasteyrie wusste bei der Erstpublikation der Weihekronen von Guarrazar darum, dass es sich um ein in der Spätantike weit verbreitetes Phänomen handelte. Aufgrund einer Bemerkung bei Konstantin VII. Porphyrogenetos führte er die Anfänge der Kronenweihe auf Konstantin den Großen zurück 43. Demnach soll der erste christliche Kaiser seine Krone der Hagia Sophia vermacht haben, wo sie über mehrere Jahrhunderte – nach den Angaben des Antonius von Nowgorod noch bis 1204 – unter dem Ziborium des Hauptaltars zu sehen gewesen sei. In einer scharfsinnigen Studie hat Hans-Dietrich Kahl aufzeigen können, dass dies 42 43 Abb. 5 Weihekronen. a Weihekrone des Svinthila (621–631); b Weihekrone des Reccesvinth (649/53–672); beide aus Guarrazar, Prov. Toledo. Julian, Geschichte 26. Lasteyrie 1860, 11 f.; Konstantin, De admin. imp. 13. – Vgl. auch Schlunk 1947, 313; Schlunk – Hauschild 1978, 203; Palol 1991, 413; Ripoll 2000, 195. 159 aus mehreren Gründen ganz unwahrscheinlich ist44. Vor allem betonte Kahl, dass die in den beiden Quellen des 10. und frühen 13. Jhs. erwähnte Krone eine typisch mittelbyzantinische Haubenkrone, ein Kamelaukion, gewesen sein muss, das es zur Zeit Konstantins noch gar nicht gab. Die Kaiser trugen im 4. Jh. und vermutlich noch bis weit ins 5. Jh. hinein verschiedene Formen des Kranz- und Banddiadems, die sich – so Kahl – gar nicht als Weihekrone eigneten 45. Bei der von Konstantin VII. erwähnten Krone in der Hagia Sophia dürfte es sich stattdessen um ein von Kaiser Maurikios im Jahr 601 geweihtes Kamelaukion handeln, das erst viel später, vermutlich aus politischen Gründen, Konstantin dem Großen zugeschrieben wurde46. Als ebenso legendär oder als Ergebnis fehlerhafter Übersetzungen betrachtete Kahl im übrigen die Nachrichten über konstantinische Weihekronen in Rom 47. Die bildlichen und schriftlichen Belege für Weihekronen reichen demnach nicht über den Beginn des 5. Jhs. zurück. Die bislang älteste DarAbb. 6 Reliquiarkästchen aus Samagher bei Pola, stellung einer Weihekrone ist auf dem ReliquiarKroatien. Kästchen aus der Sveti Hermagoras-Kirche von Samagher bei Pola, Kroatien, zu sehen (Abb. 6). Auf zwei Seiten des Kästchen sind Kronen abgebildet, die eine als Kranz, die andere als Reifkrone. Volbach datierte das Kästchen in die erste Hälfte des 5. Jhs. 48. Nicht viel später sind Weihekronen auch in der schriftlichen Überlieferung zu fassen. Im Jahr 458, weihte Petrus Chrysologus, Erzbischof von Ravenna, dem Grab des heiligen Kassian in Imola eine goldene, steingeschmückte Krone 49. Aber erst im 6. Jh. mehren sich die Quellenbelege von Weihekronen. Bildliche Darstellungen treten gehäuft in Ravenna auf, wo ein reicher Mosaikschmuck ein umfangreiches Bildprogramm frühbyzantinischer Kunst hinterlassen hat. In der unter Theoderich dem Großen errichteten und später unter Justinian umgestalteten Basilika San Appolinare Nuovo sind Kronen sowohl in den Konchen der obersten Wandzone als auch in den Arkaden des Theoderich-Palastes zu sehen 50. In der um 549 errichteten Basilika San Apollinare in Classe hängen Weihekronen über verschiedenen ravennatischen Bischöfen, die als ganzfigurige Darstellungen in den Arkaden der Apsis mosaiziert sind 51. Die Mosaikbilder in den Kirchen Ravennas belegen, dass Hängekronen im Zeitalter Justinians sowohl im herrschaftlichen (Palast Theoderichs) als auch kirchlichem Umfeld (hier als Weihekronen) auftreten 52. 44 45 46 47 48 49 50 51 52 Kahl 1972. Zu den Diademen der spätrömischen Kaiser s. Alföldi 1980, 156–158; Delbrück 1933, 64–66. Kahl 1972, 322. Kahl 1972, 318 f. – Kritisch zur römischen Überlieferung auch Schramm 1955, 378: Die im Liber pontificalis erwähnten coronae können ganz unterschiedliche Dinge bezeichnen, wie Hostien, wirkliche Kronen, Leuchter, Leuchter- und Hängekronen. Volbach 1976, 85 mit Taf. 64; sicher zu früh: Kahl 1964, 56 (wohl noch 4. Jh.). Kahl 1964, 32 f. Deichmann 1958, Farbtaf. 6. Taf. 108 f.; vgl. Lasteyrie 1860, 11. Deichmann 1958, Taf. 394–396. 398. 400. Eine Krone war spätestens unter Justin II. über dem kaiserlichen Thron aufgehängt, vgl. Ott 1998, 207 Anm. 744. Allerdings fehlt vor Maurikios ein sicherer Beleg für die Stiftung von Weihekronen durch den byzantinischen Kaiser, vgl. Kahl 1972, 322 Anm. 79. Anders dagegen Ripoll 2000, die unter Berufung auf Paulus Silentiarius (Paulus Silent., Beschreibung, 720) von justinianischen Weihekronen in der Hagia Sophia ausgeht. Doch konnte ich der angegebenen Textstelle, welche die Beschreibung des Altars mit Ziborium wiedergibt, keinen Hinweis auf Weihekronen entnehmen. Vgl. dazu die deutsche Übersetzung bei Veh, 342 f. 160 Auch außerhalb von Byzanz und dem byzantinisch geprägten Mittelmeerraum sind Weihekronen bereits in der ersten Hälfte des 6. Jhs. überliefert: Laut dem Liber pontificalis stiftete der fränkische König Chlodwig bei seinem Tode (510) dem Petersgrab in Rom eine Krone, die nach dessen Tod von Papst Hormisdas entgegengenommen werden konnte. An der entgegengesetzten Peripherie des byzantinischen Reiches ist es der äthiopische Kaiser Kaleb, der späterer Überlieferung zufolge gegen Mitte des 6. Jhs. seine Krone als Weihegabe nach Jerusalem geschickt haben soll 53. Dort könnte sie zu den ‘coronas imperatorum ex auro vel gemmis’ gehört haben, die der Pilger von Piacenza um 570 in der Rotunde der Grabeskirche hängen sah 54. Die Quellenbelege verdeutlichen, dass Kronen im 6. und 7. Jh. sowohl vom byzantinischen Kaiser Abb. 7 Guarrazar, Prov. Toledo. Georadaraufnahme als auch anderen christlichen Herrschern den der Terrasse 3b. Im Zentrum vermuteter Kirchenbau. wichtigsten Stätten des Glaubens geweiht wurden: dem Petersgrab in Rom, der Grabeskirche in Jerusalem, der Hagia Sophia in Konstantinopel. Zusätzlich erhielten bedeutende regionale Märtyrergräber den wertvollen Schmuck: Bereits erwähnt wurde das Kassiansgrab in Imola und das Grab des Hl. Felix in Gerona. Weiterhin ist eine Weihekrone am Grab des Hl. Martin in Tour bezeugt 55. Bedeutende Weihegaben, darunter mindestens zwei Kronen, stiftete das langobardische Herrscherpaar Agilulf und Theodelinde der damals als Hofkirche gegründeten Kathedrale des Hl. Johannes des Täufers in Monza. Leider wissen wir nicht, welche Glaubensstätte die Kronen aus dem Schatzfund Guarrazar zierten. Zieht man den Fundort selbst in Betracht, wäre dort entweder ein wichtiges, in den Schriftquellen aber nicht genanntes Heiligtum mit Heiligen-Memoria oder aber eine Kirche, die in besonderer Beziehung mit dem Königtum stand, vorauszusetzen56. Die Feldforschungen in Guarrazar konnten bislang zwar gewisse Indizien für die Bedeutung des Platzes in westgotischer Zeit beibringen. Über die Kultstätte selbst ist aber außer zahlreichen Resten von Bauornamentik und einer vagen Lokalisierung mittels geophysikalischer Prospektion noch nichts Genaueres bekannt (Abb. 7)57. Schließlich bleibt eine Herkunft der Kronen aus Toledo zu bedenken. Mit den bereits weiter oben genannten Kirchen verfügte die Hauptstadt über zentrale Kultstätten des Reiches, die zweifellos mit königlichen Weihegaben bedacht worden waren. Die Weihekronen von Guarrazar – geweihte Kronen? Mit der Stiftungen von Weihekronen griffen die westgotischen Könige eine spätantike Sitte auf, die spätestens seit der 1. Hälfte des 5. Jhs. fassbar ist. Nach Maßgabe der Quellengabe ist allerdings nicht zu entscheiden, ob sie dabei auf die byzantinischen Kaiser Bezug nahmen. Von der legendären Konstantinskrone abgesehen, reichen die ältesten Nachrichten zu Weihekronen byzantinischer Kaiser nicht über die Wende vom 6. zum 7. Jh. hinaus 58. Überdies war die Stiftung von Weihekro53 54 55 56 57 58 Baum 2001. Antoninus, Itinerarium 18. Weidemann 1982, 147. Vorsichtiger ebenda, 129 Anm. 572 (nur Radleuchter?). In Frage käme etwa die auf dem Lucetius-Kreuz erwähnte Kirche Santa Maria in Sorbaces oder die auf der Theodosius-Krone erwähnte Kirche Sanctus Stefanus, vgl. I. Velázquez, in: Perea 2001, 319–346, bes. 329–335. Dazu Eger 2007. Vgl. Anm. 52. 161 nen kein herrscherliches Privileg. Auch Bischöfe und Äbte – wie in Guarrazar durch die Theodosius-Krone belegt (Abb. 8) – konnten Weihegaben in Form von Kronen stiften. Die eigens zu diesem Zweck hergestellten Metallreifen besaßen zweifellos eine andere Konnotation als die der weltlichen Herrschaftsinsignie. So konnten die Kronen für die corona iustitiae oder corona vitae stehen, welche die Märtyrer und Heiligen aus der Hand Christi empfangen, aber auch als Symbol des Heiligen schlechthin verstanden werden 59. In der Forschung ist daher bereits früh die Vermutung geäußert worden, dass auch die königlichen Weihekronen nichts anderes waren als besonders kostbare ex voto in Kronenform60. Zuletzt bekräftigte dies von spanischer Seite Arce, der die Weihekronen von Guarrazar als liturgischen Schmuck bezeichnete und sie von echten königlichen Insignien scharf getrennt wissen wollte 61. Ich verzichte hier darauf, die Argumente zu wiederholen und möchte stattdessen die Realien selbst in den Mittelpunkt rücken, um diese Sichtweise zu modifizieren. Der Schatzfund von Guarrazar barg mindestens zwölf Kronen, von denen heute noch zehn Kronen erhalten sind. Drei weitere Kronen bzw. Kronenfragmente 62, die 1921 und 1936 verloren gingen, sind in alten Foto- und LithographiAbb. 8 Weihekrone des Abtes Theodosius aus Guarrazar, Prov. Toledo. en bekannt63. Nach Legierung, Herstellung, Verzierungstechniken und Größe lassen sich die Kronen in mehrere Gruppen einteilen. Ihrer auffälligen Form nach stechen zunächst die vier gitterförmigen Kronen hervor. Ihr Durchmesser liegt bei 12 bis 14 cm, der Goldgehalt beträgt im Mittel nicht mehr als 85 %, nur die in Paris aufbewahrte Gitterkrone übertrifft diesen Wert 64. Eine weitere, sehr homogene Gruppe bilden die drei Pressblechkronen, deren Reif mit 11,5 bis 12 cm Durchmesser noch unter demjenigen der Gitterkronen liegt. Auch der Goldgehalt weist mit weniger als 70 % den niedrigsten Wert aller Weihekronen aus Guarrazar auf. Demgegenüber wurde für die Reccesvinth-Krone ein viel reineres Gold verwendet. Für die Svinthila-Krone steht dies nur zu vermuten. Beide Kronen heben sich durch eine zweischalige Konstruktion mit Scharnier und eine aufwändige Verzierung mit Cabochons, Plate-inlaying und Cloisonné von den übrigen Weihekronen des Schatzfundes deutlich ab. Mit über 20 cm Durchmessern sind Reccesvinth- und Svinthila-Krone außerdem beträchtlich größer als die Pressblech- und Gitterkronen. Die in Paris aufbewahrte steinverzierte Blechkrone weist mit einem hohen Goldgehalt von über 90 % und dem Scharnier Elemente auf, die sie in die Nähe der herrscherlichen Weihekronen rücken. Allerdings ist sie kleiner als diese und besteht aus einer einfachen Blechwandung. Sie nimmt damit eine gewisse Mittelstellung innerhalb der Weihekronen von Guarrazar ein. Leider sind nur die beiden Kronen von Reccesvinth und Svinthila als königliche Weihegaben (Abb. 5 a. b), die Pressblechkrone des Theodosius (Abb. 8) als private Stiftung eindeutig identifizierbar. Dennoch scheint der deutlich kleinere Umfang, der niedrige Goldgehalt und die schlichte Konstruktion und Verzierung der Theodosius-Krone exemplarisch für Stiftungen von privater, hier klerikaler Seite im Westgotenreich zu stehen. Demgegenüber nehmen sich die königlichen Stiftungen mit ihrer Goldlegierung und den gefassten Steinen nicht nur kostbarer aus; ihre Stabilität gewährende Doppelwandigkeit und die für eine Weihekrone unnütze Scharnierkonstruktion zeigen zudem, dass den 59 60 61 62 63 Kahl 1964, 67–100; dazu auch Ott 1998. Vgl. Lasteyrie 1860, 11; Bock 1864, 175. Arce 2001b, 354. Zu den in der Armería Real aufbewahrten Kronen s. Perea 2001, 61 Taf. 33. Ob es sich bei der goldenen Aufhängevorrichtung um den Rest einer dreizehnten Krone handelt, oder diese zu einer der übrigen Kronen gehört, ist nicht zu klären. Vgl. Perea 2001, 61 Taf. 33. 304–305 Taf. 163-164; zur Svinthila-Krone s. Eger 2004. 162 Abb. 9 Ausgewählte Weihekronen im Größenvergleich. Stücken ursprünglich ein anderer Verwendungszweck zugedacht war oder mithilfe dieser Charakteristika andere Kronen imitiert wurden. Auffällig ist insbesondere ihre Größe, die eine nähere Betrachtung verdient (Abb. 9). Mit etwas mehr als 20 cm entspricht der Durchmesser der beiden königlichen Weihekronen der Kopfgröße eines erwachsenen Mannes. Sie sind genügend groß, um getragen zu werden. Zum Vergleich sei hierbei die in dieser Hinsicht über jeden Zweifel erhabene deutsche Reichskrone herangezogen, deren Durchmesser mit 21,6 cm nur unwesentlich über demjenigen der Reccesvinth- und Svinthila-Krone liegt. Über 20 cm maß auch die heute verlorene Agilulf-Krone in Monza, während die Theodelinden-Krone mit 17 cm ziemlich genau der juwelengeschmückten Blechkrone in Paris entspricht. Alle übrigen Kronen aus Guarrazar sind deutlich kleiner und unterschreiten mit ihrem Umfang die Kopfgröße erwachsener Menschen. Außerdem dürfte ihre fragile, blecherne Konstruktion für eine Verwendung als Hauptzier ungeeignet sein. Weihekrone ist also nicht gleich Weihekrone. Ausgehend von ihren Maßen, ihrer Konstruktionsweise und ihres Prunks heben sich die Reccesvinth- und Svinthila-Krone für jedermann sichtbar von den übrigen Kronen aus Guarrazar ab. Ihrem Äußeren nach gleichen sie der Hauptzier byzantinischer Kaiser des 6. Jhs., wie sie Kaiser Anastasius auf dem Barberini-Diptychon oder Justinian auf dem berühmtem Mosaik von San Vitale in Ravenna tragen (Abb. 10). Anmerkung: Zum Barberini – Diptychon vgl. Volbach 1976, Taf. 26,48. Zu Ravenna, San Vitale, zuletzt Malafarina 2006, 83 Abb. 62. Es handelt sich übereinstimmend um Reifkronen mit breiter Mittelzone und hervortretenden Randleisten. Wenngleich mit archäologischen Mitteln kein zwingender Beweis erbracht werden kann, dass es sich bei den Kronen des Svinthila und Reccesvinth um ehedem getragene Abb. 10 Ravenna, San Vitale. Mosaik Mit Kaiser Justinian I. Kronen handelt, liegt ihre Ähnlich(Ausschnitt). 163 keit mit solchen Insignien zutage. So geht man wohl nicht fehl, dass die königlichen Weihekronen zumindest maßstabsgerechte Abbilder einer königlichen Hauptzier waren und vermutlich auch als solche geweiht wurden. Eine Interpretation als rein liturgischer Schmuck erscheint daher fraglich. Eher dürfte eine Symbolhandlung zugrunde liegen, die den Zusammenhang von Königtum und Kirche betonte. Wohl nicht zufällig setzte die Überlieferung königlicher Weihekronen mit Leovigilds Sohn Reccared ein. In den Konzilsakten des dritten Toletanum, das den Übertritt der Westgoten zum Katholizismus besiegelte, wird auch die Verchristlichung des westgotischen Königtums fassbar. Der König wird dort «allerheiligster König» genannt, «voll des göttlichen Geistes». Gegenüber Papst Gregor dem Großen spricht Reccared gar vom göttlichen Ursprung seiner Macht65. Es liegt nahe, dass der Herrscher nach adäquaten Ausdrucksformen suchte, um Gott zu huldigen. Die symbolische Darreichung einer seiner Hauptzier nachgebildeten Krone wäre dazu hervorragend geeignet 66. Schluss Claudes Sicht von der Imperialisierung des westgotischen Königtums unter Leovigild ist in der spanischen Forschung jüngst relativiert worden. Valverde und Arce wiesen darauf hin, dass sich bereits im Tolosanischen Reich eine Romanisierung des Königtums vollzog. Aber nur in Einzelfällen kam es schon zur Aneignung kaiserlicher Privilegien. Noch verblieben der Gotenkönig und sein Erfüllungsstab gleichsam in der Rolle patrimonialer Beamter der römischen Hochbürokratie 67. Das alte Königtum ging 507 zugrunde. Nach einer langen Phase der Krise musste die Herrschaft des Leovigild den Zeitgenossen dann wie ein Neuanfang erschienen sein. Die Bündelung ganz unterschiedlicher Maßnahmen in der Außen- und Innenpolitik sowie die Umgestaltung des Königtums steigerten die Souveränität des Herrschers in bis dahin unbekanntem Maße. Die ältere historische Forschung nahm an, dass dabei vor allem das byzantinische Kaisertum Justinians Leovigild als Vorbild diente. Hingegen betonte Arce stärker den Einfluss des spätrömischen Kaisertums 68. Aus archäologischer Sicht gestatten in erster Linie Baupolitik, Münzprägung und nachgeordnet auch Aspekte von Hofzeremoniell und Herrschaftszeichen zur Frage der Imperialisierung des Königtums Stellung zu beziehen. Wie der archäologische Kommentar zum Ausbau der Residenzstädte Toledo und Reccopolis unter Leovigild und seinen Nachfolgern zeigen konnte, sind explizit byzantinische Vorbilder im Baubefund beim heutigen Kenntnisstand schwerlich zu erweisen. Nach Meinung Raddatz ist – ausgehend von den Befunden zur Stadtmauer von Reccopolis – stärker auch mit einheimischen Traditionen oder neu entwickelten Lösungen zu rechnen. Am deutlichsten noch fließen byzantinische Elemente in die Münzprägung ein. Doch zeigen gerade die Münzen eine erstaunliche Ambivalenz: Neben der Übernahme byzantinischer Bildmotive greift Leovigild mit den Umschriften zur Verherrlichung errungener Siege auch ältere römische Traditionen auf. Außerdem kommt es noch unter Leovigild zu einer Entwicklung, die das byzantinische Vorbild bald hinter sich lässt 69. Auf spätantiken, nicht unbedingt kaiserlichen Vorbildern beruht schließlich die Stiftung von Weihekronen. Die königlichen Weihekronen ähneln in ihrem Äußeren allerdings zeitgleichen kaiserlichen Reifkronen und weisen eine ausreichende Größe aus, um getragen zu werden. Beides nährt die Vermutung, dass die westgotischen Könige nach byzantinischem Vorbild Kronen als herrscherliche Hauptzier kannten. Zusammenfassend lässt sich archäologisch mit gewissen Modifikationen bestätigen, was Claude von historischen Standpunkt aus betonte: Für die renovatio des westgotischen Königtums griff Leovigild sowohl auf Elemente des spätrömischen als auch des zeitgleichen byzantinische Kaisertums zurück. Es handelt sich aber keineswegs um getreue Kopien und nicht überall ist eine spätrömische oder 64 65 66 67 68 69 Zur Metallanalyse der Kronen s. I. Montero et al. in: Perea 2001, 203–237; tabellarisch zusammengefasst bei Eger 2004, 482. Claude 1971, 77 f. Vgl. dazu auch Ott 1998, 174 f. (Prophezeiung der Tiburtinischen Sibylle). Wolfram 1990a, 215–21. s. Anm. 5. Nämlich mit der Einführung von Trienten, auf denen beidseitig die Herrscherbüste en face abgebildet ist. 164 byzantinische Herleitung deutlich zu machen. Wo einzelnes übernommen wurde, liegt eine sehr gezielte, zweckdienliche Auswahl vor. In der Imperialisierung des Königtums steckt somit ein Vorgang, den ich als eine Art von geistiger Spoliennahme bezeichnen möchte 70. Die Umbildung des Königtums dauerte im 7. Jh. an, nun aber unter verändertem Blickwinkel. Spätestens unter Reccared begann sich eine spezifisch christliche Königsidee zu entwickeln, die im Verlauf des 7. Jhs. auch einzelne Elemente aus dem biblischen Königtum gleichsam als Spolie aufgriff, darunter die Salbung des Herrschers 71. Quellenverzeichnis Antoninus, Itinerarium Antonini Placentini, Itinerarium 18, in: P. Geyer (Hrsg.), Itineraria et alia geographica I. Itineraria Hierosulymitana (Turnholt 1965). Fredegar, Chronik Die vier Bücher der Chroniken des sogenannten Fredegar. Unter der Leitung von H. Wolfram neu übertragen von A. Kusterning, in: Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts (Darmstadt 1982) 1–271. Isidor, Geschichte Isidor von Sevilla, Historia vel origo Gothorum, in: Th. Mommsen (Hrsg.), MGH AA XI (München 1981) 424– 481. Johannes, Chronik Juan de Biclaro, obispo de Gerona. Su vida y su obra. Introduccion, texto crítico y comentarios por J. Campos, Sch. P. (Madrid 1960). Julian, Geschichte Julian von Toledo, Historia Wambae regis. in: W. Levison (Hrsg.), MGH SSM V (Leipzig 1910) 486–535. Konstantin, De admin. imp. Constantinus Porphyrogenitus, De administrando imperio, ed. G. Moravcsik – R. J. H. Jenkins (Washington 1967). Paulus Silent., Beschreibung und Prokop, Bauten Prokop, Bauten. Paulos Silentiarios, Beschreibung der Hagia Sophia. Griechisch-deutsch ed. O. Veh. Archäologischer Kommentar W. Pülhorn (München 1977) 306–375. Sekundärliteratur Alföldi 1980 A. Alföldi, Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche (Darmstadt 1980³). Arce 2000 J. Arce, La fundación de nuevas ciudades en el Imperio romanao tardío. De Diocleciano a Justiniano (s. IV– VI), in: G. Ripoll – J. M. Gurt (Hrsg.), Sedes regiae (ann. 400–800) (Barcelona 2000) 31–62. Arce 2001a J. Arce, Leovigildus rex y el ceremonial de la corte visigótica, in: J. Arce – P. Delogu, Visigoti e Langobardi. Atti del Seminario, Rom 28./29. April 1997 (Florenz 2001) 79–92. Arce 2001b J. Arce, El conjunto votivo de Guarrazar. Función y significado, in: Perea 2001, 347–354. Baum 2001 W. Baum, Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon 19 (2001) Sp. 793 f. s. v. Kaleb Ella Asbeha Bisi Lzn. Bock 1864 F. Bock, Die Kleinodien des heiligen römischen Reichs deutscher Nation nebst den Reichsinsignien Böhmens, Ungarns und der Lombardei (Wien – Leipzig 1864). Brühl 1982 C. Brühl, Kronen- und Krönungsbrauch im frühen und hohen Mittelalter, Historische Zeitschrift 234, 1982, 1–31. 70 71 Zum Begriffsverwendung s. A. Effenberger 1999, 650. Claude 1971, 79; vgl. dazu Ewig 1976a, 33 f., der den Einfluss des alten Testamtentes jedoch als gering einschätzte. 165 Castritius 2001 H. Castritius, RGA² 17 (Berlin – New York 2001) 381–384 s. v. Krönung. Claude 1965 D. Claude, Studien zu Reccopolis 2. Die historische Situation, Madrider Mitteilungen 6, 1965, 139–166. Claude 1971 D. Claude, Adel, Kirche und Königtum im Westgotenreich (Sigmaringen 1971). Crusafont 1994 M. Crusafont i Sabater, Monete suebe e visigote, in: I Goti. Ausstellungskatalog Mailand (Mailand 1994) 348– 355. Deichmann 1958 F.-W- Deichmann, Frühchristliche Bauten und Mosaiken von Ravenna (Baden-Baden 1958). Delbrueck 1933 R. Delbrueck, Spätantike Kaiserporträts (Berlin – Leipzig 1933). Effenberger 1999 A. Effenberger, Die Wiederverwendung römischer, spätantiker und byzantinischer Kunstwerke in der Karolingerzeit, in: Ch. Stiegemann – M. Wemhoff (Hrsg.), 799. Kunst und Kultur der Karolingerzeit. Karl der Große und Papst Leo III, in: Paderborn. Beiträge zum Katalog der Ausstellung Paderborn 1999 (Mainz 1999) 643–661. Eger 2004 Ch. Eger, Krone und Kreuz König Svinthilas. Westgotische Hofkunst und Plate-inlaying im 6. und 7. Jh., Madrider Mitteilungen 45, 2004, 449–506. Eger 2007 Ch. Eger, Guarrazar (Provinz Toledo). Bericht zu den Untersuchungen 2002–2005, Mit Beiträgen von C. Basas, u.a., Madrider Mitteilungen 48, 2007, 267–305. Ewig 1976a E. Ewig, Zum christlichen Königsgedanken im Frühmittelalter, in: ders., Spätantikes und fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften (1952–1973) Vol. 1 (München 1976) 3–71. Ewig 1976b E. Ewig, Résidence et capitale pendant le haut moyen âge, in: ders., Spätantikes und fränkisches Gallien. gesammelte Gesammelte Schriften (1952–1973) Vol. 1 (München 1976) 362–408. García Moreno 1998 L. A. García Moreno, Historia de España visigoda (Madrid 1998²). Hardt 2001 RGA² 17 (Berlin – New York 2001) 389– 392 s. v. Krone (M. Hardt). Kahl 1964 H. D. Kahl, Weihekrone und Herrscherkrone. Studien zur Entstehungsgeschichte mittelalterlicher Symbolhandlungen mit Kronen, Unpubl. Habil.-Schrift (Gießen 1964). Kahl 1972 H. D. Kahl, Die ‘Konstantinskrone’ in der Hagia Sophia zu Konstantinopel. Ein Beitrag zur byzantinischen Konstantinslegende, in: Antike und Universalgeschichte, Festschrift für H. E. Stier (Münster 1972) 302–322. Lasteyrie 1860 F. de Lasteyrie, Description du trésor de Guarrazar, accompagnée de recherches sur toutes les questions archéologiques qui s’y rattachent (Paris 1860). Lilie 1995 R.-J. Lilie, Die Krönung des Kaisers Anastasios I. (491), Byzantino-Slavica 56, 1995, 3–12. Mateos Cruz – Pliego Vázquez 2005 P. Mateos Cruz – R. Pliego Vázquez, Un tesoro de tremises visigodos hallado en el llamado «foro provincial» de Augusta Emerita, Archivo Español de Arqueología 78, 2005, 251–270. Miles 1952 G. Miles, The Coinage of the Visigoths of Spain. Leovigild to Achila II (New York 1952). Müller-Wiener 1977 W. Müller-Wiener, Bildlexikon zur Topographie Istanbuls. Byzantion – Konstantinupolis – Istanbul bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts (Tübingen 1977). Olmo 2001 L. Olmo Enciso, Ciudad y procesos de transformación social entre los siglos VI y IX. De Recópolis a Racupel, in: Anejos de Archivo Español de Arqueología 23 (Madrid 2000) 385–399. Olmo 2002 L. Olmo Enciso – M. Castro Priego – A. Sánchez González – Á. Sanz Paratcha, Transformaciones de un paisaje urbano. Las últimas aportaciones de Recópolis, in: Actas del I simposio de arqueología de Guadalajara, Sigüenza 2000 (2002) 545–555. Olmo 2004 L. Olmo Enciso, Juan Cabré y los inicios de la investigación arqueológica en Recópolis, in: El arqueólogo Juan Cabré (1882–1947). La fotografía como técnica documental, Ausstellungskatalog Madrid (Madrid 2004) 371–384. Ott 1998 J. Ott, Krone und Krönung. Die Verheißung und Verleihung von Kronen in der Kunst von der Spätantike bis um 1200 und die geistige Auslegung der Krone (Mainz 1998). 166 Palol 1991 P. de Palol, Las artes suntuarias cortesanas y privadas del reino de Toledo, in: Historia de España (Menendez Pidal) Vol. 3 (Madrid 1991) 411–427. Perea 2001 A. Perea (ed.), El tesoro visigodo de Guarrazar (Madrid 2001). Raddatz 1964 K. Raddatz, Studien zu Reccopolis 1. Die archäologischen Befunde, Madrider Mitteilungen 5, 1964, 213–233. Raddatz 1995 K. Raddatz, Anmerkungen zu Reccopolis, Madrider Mitteilungen 36, 1995, 310–319. Recópolis 2008 Recópolis y la ciudad en la época visigoda. Zona Arqueológica 9 (Alcalá de Henares 2008). Reinhart 1945 W. Reinhart, Nuevas aportaciones a la numismática visigoda, Archivo Español de Arqueología 18, 1945, 212– 235. Ripoll 2000 G. Ripoll, El tesoro de Guarrazar. La tradición de la orfebrería durante la antigüedad tardía, in: Maravillas de la España medieval. Tesoro sagrado y monarquía, Ausstellungskatalog León (León 2000) 189–198. Ripoll 2004 RGA² 24 (Berlin – New York 2004) 204–208 s. v. Reccopolis (G. Ripoll). Schlunk 1947 H. Schlunk, El arte visigodo, in: Ars Hispaniae. Historia Universal del arte hispánico Vol. 2 (Madrid 1947) 227–323. Schlunk – Hauschild 1978 H. Schlunk – Th. Hauschild, Die Denkmäler der frühchristlichen und westgotischen Zeit. Hispania Antiqua (Mainz 1978). Schramm 1955 P. E. Schramm, Herrschaftszeichen und Staatssymbolik Vol. 2 (Stuttgart 1955). Stein 1928 E. Stein, Geschichte des spätrömischen Reiches Vol. 1 (Wien 1928). Stroheker 1965 K.-F. Stroheker, Leowigild in: ders., Germanentum und Spätantike (Zürich 1965) 134–191. Tomasini 1964 W. J. Tomasini, The barbaric tremissis in Spain and Southern France. Anastasius to Leovigild (New York 1964). Untermann 2006 M. Untermann, Architektur im frühen Mittelalter (Darmstadt 2006). Valverde Castro 2000 M. R. Valverde Castro, Ideología, simbolismo y ejercicio del poder real en la monarquía visigoda. Un proceso de cambio (Salamanca 2000). Velázquez – Ripoll 2000 I. Velázquez – G. Ripoll, Toletum, la construcción de una urbs regia, in: G. Ripoll – J. M. Gurt (Hrsg.), Sedes Regiae (ann. 400–800) (Barcelona 2000) 521–578. Volbach 1976 W. F. Volbach, Elfenbeinarbeiten der Spätantike und des frühen Mittelalters (Mainz 1976³). Weidemann 1982 M. Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit nach den Werken Gregors von Tours 2 Vol. (Mainz 1982). Wolfram 1990a H. Wolfram, Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts (München 1990³). Wolfram 1990b H. Wolfram, Das Reich und die Germanen. Zwischen Antike und Mittelalter (Berlin 1990²). Zusammenfassung In der ersten Hälfte des 6. Jhs. war das Westgotenreich in eine äußerst prekäre Lage geraten, die erst von König Leovigild gemeistert wurde. Nicht nur führte er umfangreiche militärische Operationen zur Sicherung und Ausweitung des Herrschaftsgebietes durch, sondern er erneuerte auch das Königtum, wobei Elemente einer imitatio imperii erkennbar sind. Dietrich Claude sprach deshalb von einer Imperialisierung des westgotischen Königtums unter Leovigild. Doch hatte bereits im tolosanischen Reich ein Prozess der ‚Romanisierung’ eingesetzt, wie von der jüngeren Forschung hervorgehoben wurde, so dass sehr genau zu prüfen ist, welche Neuerungen das Königtum in der zweiten Hälfte des 6. Jhs. tatsächlich erfuhr und auf welche Vorbilder dabei zurückgegriffen wurde. Zu den Bereichen, welche sich der Archäologie erschließen, gehören die Baupolitik, die Münzprägung und dingliche Manifestationen des Hofzeremoniells bzw. der herrscherlichen Repräsentation. 167 Während der Ausbau des zur neuen westgotischen Hauptstadt erkorenen Toledo wegen der späteren Überbauung bislang kaum fassbar ist – abzuwarten bleiben hier die Ergebnisse der neuen Ausgrabungen am Campo Universitario – bietet das von Leovigild neu gegründete und in nachwestgotischer Zeit alsbald aufgelassene Reccopolis einen sehr viel besseren Einblick in die Gestaltung einer westgotischen Residenzstadt. Allerdings kann das städtische Gesamtkonzept trotz der langjährigen Ausgrabungen noch immer nicht als geklärt gelten, so dass hinsichtlich möglicher spätrömischer oder byzantinischer Vorbilder, die man für einzelne Elemente wie für die Gesamtanlage postulieren könnte, große Vorsicht walten sollte. Sehr viel eindeutiger sind solche Vorbilder bei der Münzprägung zu erkennen. Die Einführung des Stufenkreuzes auf den Rückseiten der westgotischen Goldprägungen geht besipielsweise auf die byzantinischen solidi seit Kaiser Tiberius II. zurück, während man sich bei den propagandistischen Umschriften an spätrömischen Gepflogenheiten orientierte. Von den mit Leovigild verbundenen Neuerungen bei Hofe ist archäologisch kaum etwas zu greifen: Von einem neuen Ornat und von der Einführung eines Thrones wissen wir nur aus den Schriftquellen. Umstritten ist die Verwendung von Kronen als Herrschaftszeichen. Zumindest in Gestalt der Weihekronen gehörten sie jedoch unbestritten zum Ziergerät, dessen sich die westgotischen Könige im Rahmen bestimmter Zeremonien, nämlich der feierlichen Darbringung in Kirchen, bedienten. Zwar ist der seit dem 5. Jh. im Mittelmeerraum nachweisbare Brauch – eine noch ältere, konstantinische Tradition ist unwahrscheinlich – nicht für Leovigild, sondern erst für seinen Sohn und Nachfolger Reccared gesichert. Es bleibt aber vorstellbar, dass schon der Vater eine oder mehrere Kronen stiftete. Vom Aussehen dieser königlichen Weihegaben vermitteln die beiden im 7. Jh. von den Königen Svinthila und Reccesvinth gestifteten Kronen aus dem Schatzfund von Guarrazar eine gute Vorstellung. Eine Analyse von Form und Größe der verschiedenen Weihekronen aus Guarrazar zeigt, dass auffälligerweise alleine die königlichen Weihegaben eine tragbare Größe von etwas mehr als 20 cm Durchmesser aufweisen. So bleibt zu erwägen, ob die Weihekronen ehedem königliche Häupter zierten oder doch wenigstens getragenen Kronen nachempfunden waren. Zusammenfassend lässt sich archäologisch mit gewissen Modifikationen bestätigen, was Claude von historischen Standpunkt aus betonte: Für die renovatio des westgotischen Königtums griff Leovigild sowohl auf Elemente des spätrömischen als auch des zeitgleichen byzantinische Kaisertums zurück. Es handelt sich aber keineswegs um getreue Kopien und nicht überall ist eine spätrömische oder byzantinische Herleitung deutlich zu machen. Wo einzelnes übernommen wurde, liegt eine sehr gezielte, zweckdienliche Auswahl vor. In der Imperialisierung des Königtums steckt somit ein Vorgang, der hier als eine Art von geistiger Spoliennahme bezeichnet werden soll. Resumen En la primera mitad del siglo VI se encontraba el reino vivigodo en una situación sumamente precaria, la cual fue superada por el rey Leovigildo. No sólo lideró las principales operaciones militares para garantizar y ampliar el dominio del territorio, sino que también renovó el reino y gracias ello pueden ser reconocidos los elementos de Imitatio imperii. Dietrich Claude habla, por tanto, de un imperialismo del reino visigodo de Leovigildo. Pero ya en el reino visigodo se empezó con un proceso de «romanización», como lo sugiere la investigación reciente, de modo que hay que examinar muy cuidadosamente, qué cambios nuevos trae el reino en la segunda mitad del siglo VI y cuáles modelos fueron utilizados. Entre las áreas, a las se incluye la arqueología, pertenece la política de construcción, la acuñación y las manifestaciones físicas de ceremonias de la corte o representaciones monarcas. Durante el desarrollo de la nueva capital visigoda, Toledo, la Recópolis de Leovigildo ofrece un gran conocimiento para la creación de una ciudad-residencia gótica occidental (habría que esperar a los resultados de las nuevas excavaciones en el campo universitario). Sin embargo, este concepto debe ser tratado muy cuidadosamente, como por ejemplo los modelos a seguir romanos o bizantinos, los cuales han podido ser utilizados como elemento individuales dentro de un contexto estructural. 168 Una gran cantidad de ejemplos claros se encuentran en la acuñación de monedas. La introducción de la «cruz a niveles» en la parte posterior del traquelado en oro visigodo puede ser datado, por ejempo, solidi en la época del emperador bizantino Tiberio II, mientras que para las transcripciones propagandistas se orienta su uso en la época antigüo-romana. En cuanto a las innovaciones asociadas a Leovigildo, es arqueológicamente extraño el poseer hechos palpables: sabemos, gracias a las fuentes escritas, a cerca de un traje de ceremonias y la introducción de un trono. Controvertido es el uso de coronas como seña monarca. Estas coronas de consagración pertenecieron sin duda al grupo de objetos decorativos, los cualos fueron utilizados por los reyes visigodos durante ciertas ceremonias, por ejemplo, en las ofrendas en las iglesias. Es cierto que está comprobado su uso en el área mediterranéa desde el siglo V (una tradición más antigüa, desde la época de Constantino sería probable). Para Leovigildo no está demostrado, pero si para su hijo y sucesor Reccaredo. Sería posible que incluso el padre donara más de una corona. Como ejemplos se tienen ambas coronas ofrendas del tesoro de Guarrazar donadas por la reina Svinthila en el siglo VII. Un análisis de la forma y el tamaño de las distintas coronas de Guarrazar revela que sólo la corona real tiene un tamaño natural para ser utilizada, es decir, de 20 cm de diámetro. Por lo tanto sólo queda por reflexionar, si las coronas adornadaban cabezas reales, o si fueron al menos creadas bajo modelo originales. En resumen, con algunas modificaciones se puede confirmar arqueológicamente lo que Claude asegura desde el punto de vista histórico: Para la renovatio del reino visigodo, Leovigildo reunió no sólo elementos antigüo-romanos o del imperio bizantino contemporáneo. Sin embargo, no se trate de ningún modo de copias fieles y, a su vez, no es posible detectar una derivación antigüo-romana o bizantina. Cuando sólo son tomados elementos particulares, existe entonces una muy acertada y efectiva selección. En el imperialismo del reino se encuentra un proceso, el cual se denominará aquí como una especie de spolia humanística. Nachweis der Abbildungsvorlagen: Abb. 1: a Foto Verfasser; b nach Velázquez – Ripoll 2000, 555 Abb. 6. – Abb. 2: a nach Ripoll 2004, 206 Abb. 20; b Foto Verfasser. – Abb. 3: Foto Verfasser. – Abb. 4: www.coinarchive.com. – Abb. 5: a Detail eines Fotoabzuges aus dem Nachlass Schlunk, DAI Madrid; b nach Farbdia DAI (PLF – 2864 (P. Witte). – Abb. 6: nach Vollbach 1976, Taf. 64. – Abb. 7: nach Eger 2007, 276 Abb. 4. – Abb. 8: DAI Negativ (P. Witte). – Abb. 9: Entwurf Verfasser. – Abb. 10: G. Malafarina (Hrsg.), La basilique de Saint-Vital à Ravenne/Die Basilika San Vitale in Ravenna (Modena 2006) 83 Abb. 62. Adresse des Autors: Dr. Christoph Eger, c/o Institut für vor- und frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie. Universität München. Geschwister-Scholl-Platz 1; 80539 München. 169